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Ein Weg zur Freiheit: das Fahrrad

Posted in 1 von waehltvera - 8. Juli 2009

Freiheit_showpict.php „Die zwei Grad sind jetzt unsere gemeinsame Basis“, erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel am heutigen Mittwochabend auf dem G8-Gipfel in L’Aquila. Sie meint damit: Nur wenn es der Völkergemeinschaft gelingt, den globalen Temperaturanstieg auf etwa 2 Grad zu begrenzen, werden die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels – Dürren, Stürme, Hungersnöte, Wasserknappheit, riesige Wanderungsbewegungen in kältere Zonen, Ressourcenkriege – einigermaßen im Rahmen des Verträglichen bleiben.

Was kann der einzelne tun, um die von Kanzlerin Merkel und ihrer CDU vertretenen Klimaziele zu erreichen? Antwort: Alle können ihr Verhalten ändern! Zum Beispiel durch Vermeidung weiterer klimaschädlicher Kohlendioxidemissionen. Etwa dadurch, das man auf den vielen Kurzstrecken bis 6 km das Auto stehen lässt und aufs Fahrrad umsteigt.

Immer wieder werden in den nächsten Jahren die Verkehrsexperten fragen: “Warum tat sich die CDU früher so schwer mit dem Fahrrad? Warum kämpften früher so wenige CDU-ler für nachhaltige Mobilität und setzten munter weiter aufs Auto und aufs Flugzeug? Wofür steht denn das C? War Jesus Christus nicht ein armer Unterschichtenjude, der fast immer zu Fuß ging und sich nie eine Sänfte oder ein Pferd leisten konnte wie die Reichen seines Landes?”

Es kommen noch schlimmere Vorwürfe: In einem Kreuzberger Blog zum Fahrradverkehr ätzt ein Blogger in seinem Beitrag Die CDU und das Fahrrad: „Es war die CDU, die jahrzehntelang gemeinsam mit Autolobby und Bildzeitung Freie Fahrt für freie Bürger! gefordert hat. Mit dieser Kampagne ist erst eine Autofahrermentalität entstanden, die den Mittelfinger als Wappenzeichen führt. Deshalb wird es vermutlich noch sehr lange dauern, bis aus der Autopartei CDU eine radfahrerfreundliche Partei geworden ist.“

Was ist dran an der Rede von der ehemaligen Autopartei CDU? Schauen wir doch mal in einige Winkel unserer Republik, was der CDU/CSU neuerdings zum Fahrrad so alles einfällt:

Beispiel Stuttgart: Der CDU-Oberbürgermeister Dr. Wolfgang Schuster möchte die hügelige Neckarstadt zur attraktiven Fahrradstadt umgestalten. Er möchte den Anteil der Fahrradfahrten am Gesamtverkehr auf 20 Prozent steigern. Er setzt dabei auf ein bisschen Nachschub: das Elektro-Fahrrad Pedelec. “Runter vom Rad, rein in die Sitzung”, erklärte der Bürgermeister, picco bello in Anzug und Krawatte gekleidet. Und siehe: CDU hat die letzte Wahl gewonnen (Quelle: ADFC Radwelt 3/08, S. 10).

Beispiel Augsburg: Der CSU-Oberbürgermeister Dr. Kurt Gribl setzte im Wahlkampf auf das Prinzip “Freiheit der Wahl”. Er wandte sich gegen die einseitige Bevorzugung von Bussen und Bahnen und erklärte den Ausbau der Fahrradinfrastruktur zur Chefsache. Unter anderem verlangte er ausdrücklich als Punkt 100 seines 100-Punkte-Programms, den Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) bei Straßenbauplanungen stets mit einzubeziehen. Und siehe: CSU hat die letzte Wahl gewonnen.

Beispiel Berlin: Die CDU-Politikerin Vera Lengsfeld erzählt in ihrem Buch Mein Weg zur Freiheit, wie sie sehr früh bereits mit anderen zusammen aufs Rad setzte und für mehr Freiheit in die Pedale trat. „Es war ein sonniger warmer Septembertag. Wir hatten uns im Park am Weinbergsweg verabredet. Jeder sollte sich möglichst bunt anziehen und eine Blume am Fahrradlenker befestigen. Als wir am Weinbergsweg ankamen, hatte sich bereits eine fröhliche Gesellschaft versammelt. Wir radelten als lange Radfahrerkette durch die Schönhauser Allee, eine der Hauptverkehrsstraßen von Berlin. Die Männer hinterm Steuer guckten in der Regel verärgert und hupten erbost, ihre Frauen dagegen erfreuten sich an unserem Anblick.“ So wurde das Fahrrad für Frauen wie Vera Lengsfeld und viele andere zu einem der Zeichen der Freiheit. Und siehe: Wenige Jahre später fiel die Mauer.

Beispiel Hamburg: Bereits vor der Wahl, am 21.02.2008, erklärte CDU-Vormann Ole von Beust die Verdoppelung des Radverkehrs auf Kandidatenwatch zu seinem Ziel: “Bis zum Jahr 2015 soll sich der Anteil des Radverkehrs am gesamten Verkehrsaufkommen in unserer Stadt verdoppeln. Dies ist das erklärte Ziel der Radverkehrsstrategie für Hamburg, die auf Initiative der Hamburgischen Bürgerschaft von einem Fahrradforum mit Vertretern aus allen betroffenen Bereichen erarbeitet wurde.” Und siehe:  Die CDU gewann die Wahl.

Ergebnis: Überall, wo die Christenunion glaubwürdig aufs Fahrrad und nachhaltige Mobilität setzt, gewinnt sie die Wahlen in Großstädten und Stadtstaaten. Sie gewinnt außerdem Glaubwürdigkeit. Sie gewinnt Sympathien – mindestens bei den Frauen und den umweltbewegten grünen Männern, die etwas zur Beruhigung ihres Öko-Gewissens tun wollen! Ehe sie in den Saab turbo steigen und zum Bäcker fahren.

Ist der Umkehrschluss ebenfalls zulässig, dass das Werben mit noch mehr Flugverkehr und noch mehr Autobahnen in den Zentren der Großstädte beim Wahlvolk schlechter ankommt? Wollen nicht alle Innenstadtbewohner eine gesunde Umwelt, einen gesunden Körper, Sicherheit und Ruhe, weniger Feinstaubbelastung, wie sie der motorisierte Verkehr in die Luft bläst? Alles Dinge, die man durch regelmäßiges Fahrradfahren erreicht!

Wie dem auch sei, in dem Leitantrag zur Umweltpolitik, den die CDU Deutschlands am 1. Dezember 2008 einmütig verabschiedete, heißt es jedenfalls: „Das Fahrrad spielt als umweltfreundliches Verkehrsmittel eine Schlüsselrolle.“ Die Union setzt sich „konsequent für die Stärkung des Radverkehrs“ ein. Ein Wort in Gottes Ohr! Das Reden von der Autofahrerpartei CDU wird wohl bald schon der Vergangenheit angehören.

Das Fahrrad ist einer der vielen Wege zur Freiheit. Mindestens zur Emissionsfreiheit. Damit wir die berühmten 2 Grad einhalten.

Lesestoff: Vera Lengsfeld. Von nun an ging’s bergauf … Mein Weg zur Freiheit.  LangenMüller Verlag, 2., durchgesehene Auflage, München 2007, hier: S. 141-142

Beitrag von Johannes Hampel

2 Antworten to 'Ein Weg zur Freiheit: das Fahrrad'

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  1. Kalle said,

    Es ist wirklich lustig, dass ich hier zum Ätzblogger ernannt werde, nur weil ich die Autopolitik der CDU zu kritisieren wage. Aus dieser Ecke klingt so eine Invektive wie ein Lob.

    Ich schätze Johannes Hampel durchaus, viele seiner Beiträge (im Hampel-Blog) kann ich voll unterschreiben. Aber die Autopartei CDU bleibt Autopartei, da beißt die Maus keinen Faden ab. Da kann man noch so viele Beispiele auf kommunaler Ebene herauskramen, die das Gegenteil suggerieren. Sie sind alle nur die Ausnahme, die die Regel bestätigen. Und die Regel heißt: Die CDU ist eine autofahrerfreundliche und radfahrerfeindliche Partei.

    Wer wissen möchte, wie die aktuelle Haltung der CDU zur Fahrradpolitik aussieht, der mag sich die Antwort des Bundeskanzleramtes auf zwei Offene Briefe des Präsidenten des Europäischen Radfahrerbundes an die Kanzlerin anschauen. Das ist alles auf dem Rad-Spannerei Blog im Artikel „Ein Brief an die Kanzlerin“ dokumentiert:
    http://www.rad-spannerei.de/blog/2009/07/06/ein-brief-an-die-kanzlerin/
    Arroganter, zynischer und oberlehrerhafter geht es kaum.

  2. waehltvera said,

    Hallo Kalle,

    danke für Ihre Antwort! Da ich selbst CDU-Mitglied bin, würde ich Sie/Dich bitten, mir mitzuteilen, wenn die CDU durch radfahrerfeindliche Politik unangenehm auffällig wird. Ich werde mich dann bemühen, dieses Anliegen bei den Parteifreunden vorzutragen. Ich bleibe dabei: Echte christdemokratische Politik muss dem Schutz der Freiheit und dem Einfordern von Verantwortung verpflichtet sein. Die Autofahrenden dürfen die Freiheit aller anderen Verkehrsteilnehmer, vor allem der Fußgänger und der Radfahrer, nicht derart massiv und schädlich beschneiden wie das heute in den Städten leider noch der Fall ist.

    Christliche Ethik schützt besonders die Schwachen!

    Zu dem Briefwechsel hab ich was auf dem Rad-Spannerei-Blog gepostet. Das möchte ich hier nicht wiederholen.


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